Wissenschaft

Im Folgenden möchte ich eine knappe Auflistung einiger Forschungsergebnisse über Meditation / achtsamkeitsbasierte Interventionen präsentieren, die internationale Forschungsteams in Einzelstudien erarbeiteten beziehungsweise in sogenannten Meta-Analysen und Reviews zusammentrugen. Eine Meta-Analyse fasst Daten aus mehreren unabhängigen Studien zusammen, um eine quantitative Gesamteinschätzung hinsichtlich eines bestimmten Effekts zu liefern. Diese Zusammenfassung erhöht letztendlich die statistische Aussagekraft der jeweils gefundenen Effekte.

Bei Reviews liegt der Fokus weniger auf der quantitativen Aufbereitung, sondern eher auf der qualitativen Synthese von Studienergebnissen. In einem Review findet man beispielsweise eine detaillierte Diskussion über die Stärken und Schwächen einzelner Studien oder schlichtweg einen breiten Überblick über den aktuellen Forschungsstand eines Themas.

Für dich bedeutet das in Kürze: Meta-Analysen und Reviews sind aussagekräftiger als Einzelstudien, sie haben eine höhere „Evidenzklasse“. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum du in der folgenden Auflistung größtenteils diese Art von Studien findest. Der zweite Grund ist, dass man bei der Masse an wissenschaftlichen Publikationen zum Thema Meditation, die jährlich erscheinen, mit der Analyse und Einordnung als Einzelperson nicht Schritt halten kann. Allein im Jahr 2022 waren es über eintausend solcher wissenschaftlichen Publikationen.

Im Allgemeinen kann uns die mittlerweile umfangreiche wissenschaftliche Literatur mit Hinblick auf die positiven Effekte der Meditation zuversichtlich stimmen. Welcher Effekt sich bei dir einstellt und wie stark dieser ist, kannst nur du selbst herausfinden.

  • Ein Review berichtet in 6 von 8 Studien eine statistisch signifikante Reduktion von Burnout bei Fachkräften im Gesundheitswesen sowie Lehrkräften nach achtsamkeitsbasierten Interventionen (Luken & Sammons, 2016). Das Review bewertet die Datenlage als „starke Evidenz“ für die Wirksamkeit von achtsamkeitsbasierten Interventionen für die angegebene Population.
  • Eine Meta-Analyse von 29 Studien mit insgesamt 2668 untersuchten Personen ergab, dass MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction) bei gesunden Personen zu einer signifikanten Reduktion von Stress führen kann. Es wurde jedoch darauf hingewiesen, dass die Studienheterogenität der eingeschlossenen Studien berücksichtigt werden muss (Khoury et al., 2015).
  • Eine Meta-Analyse von Zhang et al. (2020) untersuchte die Auswirkungen von internetbasierten Mindfulness-Interventionen (iMBIs) auf Stressreduktion in der Allgemeinbevölkerung. Die Ergebnisse zeigen, dass iMBIs kleine bis mittlere Effekte auf Stress und Achtsamkeit im Vergleich zur Kontrollgruppe haben.
  • In einer randomisierten kontrollierten Studie von Nyklíček und Ivan (2008) wurde untersucht, ob die positiven Effekte von MBSR-Kursen tatsächlich auf Veränderungen der Achtsamkeit zurückzuführen sind. Vierzig Frauen und zwanzig Männer der Allgemeinbevölkerung, die unter Stress litten, wurden rekrutiert und der MBSR- bzw. Kontrollgruppe zugeordnet. Die Ergebnisse zeigen, dass die MBSR-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikante Verbesserungen beim wahrgenommenen Stress, der vitalen Erschöpfung, dem positiven Affekt, der Lebensqualität und der Achtsamkeit aufwies. Statistische Analysen zur Identifizierung der Wirkfaktoren ergaben, dass wenn Achtsamkeit als Wirkfaktor aus dem statistischen Modell herausgerechnet wird, kein statistisch signifikanter Unterschied mehr zwischen der Interventionsgruppe und der Kontrollgruppe hinsichtlich der Variablen wahrgenommener Stress und Lebensqualität besteht.
  • In einer multizentrischen randomisierten kontrollierten Studie von Trombka et al. (2021) wurden brasilianische Polizeikräfte einer achtsamkeitsbasierten Gesundheitsfördermaßnahme (MBHP) bzw. einer Warteliste zugeordnet. Zu drei verschiedenen Zeitpunkten (Startpunkt der Intervention, Endpunkt der Intervention und 6-monatige Nachuntersuchung) wurden verschiedene Outcome-Variablen, darunter die Lebensqualität, erhoben. Nur in der MBHP-Gruppe zeigte sich neben anderen stabilen Verbesserungen eine stabile Erhöhung der Lebensqualität.
  • Zwei Meta-Analysen von Luberto et al. (2018) und Kreplin et al. (2018) zeigen, dass Meditation zu mehr Empathie und Mitgefühl führen kann. Hinsichtlich Empathie wurden diese Ergebnisse durch eine Meta-Analyse von Hu et al. (2022) unterstrichen.
  • In Bezug zu Aggressivität und intergruppenbezogenen Vorurteilen ist die aktuelle Forschungslage unklarer. Während Kreplin et al. (2018) keinen Einfluss von Meditation auf Aggressivität und intergruppenbezogene Vorurteile fanden, geben Gillions et al. (2019) in ihrem Review an, dass achtsamkeitsbasierte Ansätze Potential haben, zumindest aggressives Verhalten zu reduzieren. Letztere Studie hatte allerdings wesentlich breitere Inklusionskriterien (es wurden bspw. auch Studien inkludiert, in denen Meditation nicht als der zentrale Wirkfaktor angesehen wurde – solche Studien klammerten Kreplin et al. (2018) explizit aus) und das Forschungsteam mahnt die methodologische Qualität einiger inkludierter Studien an. Oyler et al. (2021) legen in ihrem Review nahe, dass Achtsamkeit durchaus die intergruppenbezogenen Vorurteile abschwächen kann. Auch hier ist jedoch anzumerken, dass „Achtsamkeit“ (beabsichtigt) breit definiert wurde und Kreplin et al. (2018) für die Frage, ob Meditation Einfluss auf die Neigung zu intergruppenbezogenen Vorurteilen hat, eher zu präziseren Antworten kommt.

Der Einfluss von Meditation auf die Aufmerksamkeit wurde in etlichen Studien untersucht. Allerdings ist es herausfordernd, die Effekte der Meditation auf die alltägliche Aufmerksamkeit im Laborsetting experimentell zu objektivieren. Das hat mehrere Gründe: Die Unsicherheit in der Wissenschaft über die Komponenten des und Einflüsse auf den Aufmerksamkeitsprozess (am Beispiel Aufmerksamkeit und Angst gut im Artikel Mechanisms of Attentional Biases towards Threat in the Anxiety Disorders: An Integrative Review von Cisler und Koster (2010) zu sehen), die fragliche Validität vieler Messparadigmen und Störvariablen (da viele Messungen im Millisekundenbereich liegen, können sie für Letzteres besonders sensibel sein).

Neben Verhaltensmessungen gibt es noch die Möglichkeit, Versuchspersonen nach subjektiven Veränderungen der Aufmerksamkeit in Zusammenhang mit Meditation zu fragen. Man kann außerdem untersuchen, ob Meditation mit funktionellen und/oder strukturellen Abweichungen und/oder Veränderungen in Hirnarealen assoziiert ist, die man mit den verschiedenen Komponenten der Aufmerksamkeit in Verbindung bringt (siehe dazu die Box „Neurowissenschaft“). Unabhängig von diesen Erwägungen folgen beispielhaft ein paar Einzelstudien.

  • Jha et al. (2007) untersuchte, ob Achtsamkeitstraining spezifische Aspekte der Aufmerksamkeit verändern kann. Dafür wurden drei verschiedene, aber sich überschneidende Aufmerksamkeitsuntersysteme (Alarmierung, Orientierung, Konfliktüberwachung) innerhalb zweier Arten von Achtsamkeitstrainings (8-wöchiges Achtsamkeitstraining mit dem Fokus auf konzentrative Fähigkeiten vs. einmonatiges Achtsamkeitsretreat) untersucht. Verhaltensmessungen wurden vor (Zeitpunkt 1) und nach (Zeitpunkt 2) dem Training durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten, dass das Retreat die Konfliktüberwachung verbesserte, während das Achtsamkeitstraining zu einer verbesserten Orientierung führte. Die Retreat-Gruppe zeigte auch eine verbesserte Reaktionsfähigkeit auf externe Reize. Die Studie legt nahe, dass Achtsamkeitstraining bestimmte Aspekte der Aufmerksamkeit verbessern kann, indem es spezifische Unterfunktionen der Aufmerksamkeit unterstützt.
  • Fabio und Towey (2017) untersuchten, ob Menschen, die längerfristig meditieren, verbesserte Aufmerksamkeitsfähigkeiten (und andere kognitive Funktionen) verglichen mit Nicht-Meditierenden demonstrieren. Achtzehn langfristig Meditierende wurden mit einer passenden Kontrollgruppe verglichen, die nie Meditation praktiziert hatte. Bei jeder Versuchsperson wurden Leistungstests durchgeführt, u.a. zur Aufmerksamkeit. Die Ergebnisse zeigten signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen und deuten darauf hin, dass langfristige Meditation mit verbesserten Aufmerksamkeitsfunktionen verbunden ist. Aufgrund des Querschnittsdesigns können keine kausalen Schlüsse gezogen werden.
  • Kral et al. (2022) untersuchte die Auswirkungen von Achtsamkeitsmeditation auf das Gehirn und die Aufmerksamkeit. Das Forschungsteam zeigte, dass langjährige Meditierende eine verbesserte Verbindung zwischen bestimmten Gehirnbereichen aufweisen, die mit Aufmerksamkeit und Selbstwahrnehmung in Verbindung stehen und fanden, dass langjährige Meditierende eine verbesserte subjektive Aufmerksamkeit im Vergleich zu den Kontrollpersonen demonstrieren. Auch hier erlaubt das Querschnittsdesign keine kausalen Schlüsse.

Ähnlich wie in der Box „Aufmerksamkeit“ beschrieben, gilt es bei Studien zur Gedächtnisleistung einen kritischen Blick auf die Validität der verwendeten Messmethoden und Störvariablen zu haben. 

  • In einer Studie von Jha et al. (2010) wurde der Einfluss von Achtsamkeitstraining auf das Arbeitsgedächtnis und das emotionale Erleben in zwei militärischen Kohorten untersucht. Die Arbeitsgedächtniskapazität wird zur Bewältigung kognitiver Anforderungen und zur Regulation von Emotionen genutzt. Anhaltende und intensive Belastungen, wie sie während hochstressiger Phasen auftreten, können die Arbeitsgedächtniskapazität erschöpfen und zu kognitiven und emotionalen Beeinträchtigungen führen. Die Hypothese des Forschungsteams war, dass das Achtsamkeitstraining diese negativen Effekte durch eine Stärkung der Arbeitsgedächtniskapazität mindern kann, was schließlich auch den Resultaten entsprach.
  • Eine Studie von Mrazek et al. (2013) untersuchte, ob ein zweiwöchiger Mindfulness-Kurs das Abschweifen der Gedanken und die kognitive Leistung bei Personen im Bachelorstudium verbessern kann. Das Achtsamkeitstraining führte tatsächlich zu einer verbesserten Arbeitsgedächtniskapazität bei den Versuchspersonen sowie zu einem verbesserten Leseverständnis. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass das Auftreten ablenkender Gedanken während der Durchführung der Leseverständnisaufgabe reduziert war. Die Verbesserungen in der Leistung nach dem Achtsamkeitstraining wurden vor allem auf die Verringerung des Abschweifens der Gedanken bei denjenigen Versuchspersonen zurückgeführt, die dazu neigten, sich vom Training leicht ablenken zu lassen.
  • Eine randomisierte kontrollierte Studie von Jain et al. (2007) verglich die Auswirkung einer einmonatigen Achtsamkeitsintervention mit der eines somatischen Entspannungstrainings und einer Kontrollgruppe. Alle Versuchspersonen befanden sich im Hochschulstudium und gaben an, unter Stress zu leiden. Sowohl in der Meditations- als auch in der Entspannungsgruppe zeigten sich im Laufe der Zeit eine signifikante Abnahme der Belastung sowie eine Zunahme positiver Stimmungszustände im Vergleich zur Kontrollgruppe. Das Besondere: Ausschließlich in der Meditationsgruppe zeigte sich eine Abnahme von ablenkenden sowie Grübelgedanken, was dafürspricht, dass die Achtsamkeitsmeditation spezifisch auf dieses Verhalten wirkt.
  • In einer Meta-Analyse randomisierter kontrollierter Studien mit 1138 inkludierten depressiven Versuchspersonen zeigten Li et al. (2022), dass achtsamkeitsbasierte Interventionen zur Reduzierung von Grübeln (und anderen Symptomen) führen kann. Interessant: Das Forschungsteam empfahl auf Basis ihrer Befunde bei der Gestaltung von achtsamkeitsbasierten Interventionen regionale Unterschiede zu beachten.
  • Ein Review von Wolkin (2015) geht der Frage nach, wie Achtsamkeit durch ihren Einfluss auf den Grübelprozess zum Wohlbefinden beiträgt.
  • In einem Review (inkl. Meta-Analyse) untersuchten Wang et al. (2016), ob Körper-Geist-Therapien (Meditation, Tai Chi, Qi Gong, Yoga) die Schlafqualität verbessern. Ihre Resultate zeigten, dass Meditation zumindest nach subjektivem Ermessen die Schlafqualität im Vergleich zu inaktiven Kontrollpersonen deutlich verbessert.
  • Ein Review (inkl. Meta-Analyse) von Gu et al. (2015) untersuchte, welche psychologischen Prozesse MBSR und MBCT (Mindfulness-Based Cognitive Therapy) beeinflussen, um den therapeutischen Nutzen zu erzielen, der in verschiedenen Interventionsstudien gefunden wird. Das Forschungsteam fand starke Evidenz dafür, dass MBSR- und MBCT- Interventionen ihre Wirkung wahrscheinlich besonders durch ihren positiven Einfluss auf die emotionale Reaktivität der behandelten Personen entfalten.
  • Eine Meta-Analyse von Reilly und Stuyven (2022) zeigte, dass mitgefühlszentrierte Meditationen (loving-kindness meditations) mittlere Effekte auf die Fähigkeit zum Selbstmitgefühl bei Erwachsenen hat.