Wissenschaft

Im Folgenden möchte ich eine knappe Auflistung einiger Forschungsergebnisse über Meditation / achtsamkeitsbasierte Interventionen präsentieren, die internationale Forschungsteams in Einzelstudien erarbeiteten beziehungsweise in sogenannten Meta-Analysen und Reviews zusammentrugen. Eine Meta-Analyse fasst Daten aus mehreren unabhängigen Studien zusammen, um eine quantitative Gesamteinschätzung hinsichtlich eines bestimmten Effekts zu liefern. Diese Zusammenfassung erhöht letztendlich die statistische Aussagekraft der jeweils gefundenen Effekte.

Bei Reviews liegt der Fokus weniger auf der quantitativen Aufbereitung, sondern eher auf der qualitativen Synthese von Studienergebnissen. In einem Review findet man beispielsweise eine detaillierte Diskussion über die Stärken und Schwächen einzelner Studien oder schlichtweg einen breiten Überblick über den aktuellen Forschungsstand eines Themas.

Für dich bedeutet das in Kürze: Meta-Analysen und Reviews sind aussagekräftiger als Einzelstudien, sie haben eine höhere „Evidenzklasse“. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum du in der folgenden Auflistung größtenteils diese Art von Studien findest. Der zweite Grund ist, dass man bei der Masse an wissenschaftlichen Publikationen zum Thema Meditation, die jährlich erscheinen, mit der Analyse und Einordnung als Einzelperson nicht Schritt halten kann. Allein im Jahr 2022 waren es über eintausend solcher wissenschaftlichen Publikationen.

Im Allgemeinen kann uns die mittlerweile umfangreiche wissenschaftliche Literatur mit Hinblick auf die positiven Effekte der Meditation zuversichtlich stimmen. Welcher Effekt sich bei dir einstellt und wie stark dieser ist, kannst nur du selbst herausfinden.

  • Ein Review berichtet in 6 von 8 Studien eine statistisch signifikante Reduktion von Burnout bei Fachkräften im Gesundheitswesen sowie Lehrkräften nach achtsamkeitsbasierten Interventionen (Luken & Sammons, 2016). Das Review bewertet die Datenlage als „starke Evidenz“ für die Wirksamkeit von achtsamkeitsbasierten Interventionen für die angegebene Population.
  • Eine Meta-Analyse von 29 Studien mit insgesamt 2668 untersuchten Personen ergab, dass MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction) bei gesunden Personen zu einer signifikanten Reduktion von Stress führen kann. Es wurde jedoch darauf hingewiesen, dass die Studienheterogenität der eingeschlossenen Studien berücksichtigt werden muss (Khoury et al., 2015).
  • Eine Meta-Analyse von Zhang et al. (2020) untersuchte die Auswirkungen von internetbasierten Mindfulness-Interventionen (iMBIs) auf Stressreduktion in der Allgemeinbevölkerung. Die Ergebnisse zeigen, dass iMBIs kleine bis mittlere Effekte auf Stress und Achtsamkeit im Vergleich zur Kontrollgruppe haben.
  • In einer randomisierten kontrollierten Studie von Nyklíček und Ivan (2008) wurde untersucht, ob die positiven Effekte von MBSR-Kursen tatsächlich auf Veränderungen der Achtsamkeit zurückzuführen sind. Vierzig Frauen und zwanzig Männer der Allgemeinbevölkerung, die unter Stress litten, wurden rekrutiert und der MBSR- bzw. Kontrollgruppe zugeordnet. Die Ergebnisse zeigen, dass die MBSR-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikante Verbesserungen beim wahrgenommenen Stress, der vitalen Erschöpfung, dem positiven Affekt, der Lebensqualität und der Achtsamkeit aufwies. Statistische Analysen zur Identifizierung der Wirkfaktoren ergaben, dass wenn Achtsamkeit als Wirkfaktor aus dem statistischen Modell herausgerechnet wird, kein statistisch signifikanter Unterschied mehr zwischen der Interventionsgruppe und der Kontrollgruppe hinsichtlich der Variablen wahrgenommener Stress und Lebensqualität besteht.
  • In einer multizentrischen randomisierten kontrollierten Studie von Trombka et al. (2021) wurden brasilianische Polizeikräfte einer achtsamkeitsbasierten Gesundheitsfördermaßnahme (MBHP) bzw. einer Warteliste zugeordnet. Zu drei verschiedenen Zeitpunkten (Startpunkt der Intervention, Endpunkt der Intervention und 6-monatige Nachuntersuchung) wurden verschiedene Outcome-Variablen, darunter die Lebensqualität, erhoben. Nur in der MBHP-Gruppe zeigte sich neben anderen stabilen Verbesserungen eine stabile Erhöhung der Lebensqualität.
  • Zwei Meta-Analysen von Luberto et al. (2018) und Kreplin et al. (2018) zeigen, dass Meditation zu mehr Empathie und Mitgefühl führen kann. Hinsichtlich Empathie wurden diese Ergebnisse durch eine Meta-Analyse von Hu et al. (2022) unterstrichen.
  • In Bezug zu Aggressivität und intergruppenbezogenen Vorurteilen ist die aktuelle Forschungslage unklarer. Während Kreplin et al. (2018) keinen Einfluss von Meditation auf Aggressivität und intergruppenbezogene Vorurteile fanden, geben Gillions et al. (2019) in ihrem Review an, dass achtsamkeitsbasierte Ansätze Potential haben, zumindest aggressives Verhalten zu reduzieren. Letztere Studie hatte allerdings wesentlich breitere Inklusionskriterien (es wurden bspw. auch Studien inkludiert, in denen Meditation nicht als der zentrale Wirkfaktor angesehen wurde – solche Studien klammerten Kreplin et al. (2018) explizit aus) und das Forschungsteam mahnt die methodologische Qualität einiger inkludierter Studien an. Oyler et al. (2021) legen in ihrem Review nahe, dass Achtsamkeit durchaus die intergruppenbezogenen Vorurteile abschwächen kann. Auch hier ist jedoch anzumerken, dass „Achtsamkeit“ (beabsichtigt) breit definiert wurde und Kreplin et al. (2018) für die Frage, ob Meditation Einfluss auf die Neigung zu intergruppenbezogenen Vorurteilen hat, eher zu präziseren Antworten kommt.

Der Einfluss von Meditation auf die Aufmerksamkeit wurde in etlichen Studien untersucht. Allerdings ist es herausfordernd, die Effekte der Meditation auf die alltägliche Aufmerksamkeit im Laborsetting experimentell zu objektivieren. Das hat mehrere Gründe: Die Unsicherheit in der Wissenschaft über die Komponenten des und Einflüsse auf den Aufmerksamkeitsprozess (am Beispiel Aufmerksamkeit und Angst gut im Artikel Mechanisms of Attentional Biases towards Threat in the Anxiety Disorders: An Integrative Review von Cisler und Koster (2010) zu sehen), die fragliche Validität vieler Messparadigmen und Störvariablen (da viele Messungen im Millisekundenbereich liegen, können sie für Letzteres besonders sensibel sein).

Neben Verhaltensmessungen gibt es noch die Möglichkeit, Versuchspersonen nach subjektiven Veränderungen der Aufmerksamkeit in Zusammenhang mit Meditation zu fragen. Man kann außerdem untersuchen, ob Meditation mit funktionellen und/oder strukturellen Abweichungen und/oder Veränderungen in Hirnarealen assoziiert ist, die man mit den verschiedenen Komponenten der Aufmerksamkeit in Verbindung bringt (siehe dazu die Box „Neurowissenschaft“). Unabhängig von diesen Erwägungen folgen beispielhaft ein paar Einzelstudien.

  • Jha et al. (2007) untersuchte, ob Achtsamkeitstraining spezifische Aspekte der Aufmerksamkeit verändern kann. Dafür wurden drei verschiedene, aber sich überschneidende Aufmerksamkeitsuntersysteme (Alarmierung, Orientierung, Konfliktüberwachung) innerhalb zweier Arten von Achtsamkeitstrainings (8-wöchiges Achtsamkeitstraining mit dem Fokus auf konzentrative Fähigkeiten vs. einmonatiges Achtsamkeitsretreat) untersucht. Verhaltensmessungen wurden vor (Zeitpunkt 1) und nach (Zeitpunkt 2) dem Training durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten, dass das Retreat die Konfliktüberwachung verbesserte, während das Achtsamkeitstraining zu einer verbesserten Orientierung führte. Die Retreat-Gruppe zeigte auch eine verbesserte Reaktionsfähigkeit auf externe Reize. Die Studie legt nahe, dass Achtsamkeitstraining bestimmte Aspekte der Aufmerksamkeit verbessern kann, indem es spezifische Unterfunktionen der Aufmerksamkeit unterstützt.
  • Fabio und Towey (2017) untersuchten, ob Menschen, die längerfristig meditieren, verbesserte Aufmerksamkeitsfähigkeiten (und andere kognitive Funktionen) verglichen mit Nicht-Meditierenden demonstrieren. Achtzehn langfristig Meditierende wurden mit einer passenden Kontrollgruppe verglichen, die nie Meditation praktiziert hatte. Bei jeder Versuchsperson wurden Leistungstests durchgeführt, u.a. zur Aufmerksamkeit. Die Ergebnisse zeigten signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen und deuten darauf hin, dass langfristige Meditation mit verbesserten Aufmerksamkeitsfunktionen verbunden ist. Aufgrund des Querschnittsdesigns können keine kausalen Schlüsse gezogen werden.
  • Kral et al. (2022) untersuchte die Auswirkungen von Achtsamkeitsmeditation auf das Gehirn und die Aufmerksamkeit. Das Forschungsteam zeigte, dass langjährige Meditierende eine verbesserte Verbindung zwischen bestimmten Gehirnbereichen aufweisen, die mit Aufmerksamkeit und Selbstwahrnehmung in Verbindung stehen und fanden, dass langjährige Meditierende eine verbesserte subjektive Aufmerksamkeit im Vergleich zu den Kontrollpersonen demonstrieren. Auch hier erlaubt das Querschnittsdesign keine kausalen Schlüsse.

Ähnlich wie in der Box „Aufmerksamkeit“ beschrieben, gilt es bei Studien zur Gedächtnisleistung einen kritischen Blick auf die Validität der verwendeten Messmethoden und Störvariablen zu haben. 

  • In einer Studie von Jha et al. (2010) wurde der Einfluss von Achtsamkeitstraining auf das Arbeitsgedächtnis und das emotionale Erleben in zwei militärischen Kohorten untersucht. Die Arbeitsgedächtniskapazität wird zur Bewältigung kognitiver Anforderungen und zur Regulation von Emotionen genutzt. Anhaltende und intensive Belastungen, wie sie während hochstressiger Phasen auftreten, können die Arbeitsgedächtniskapazität erschöpfen und zu kognitiven und emotionalen Beeinträchtigungen führen. Die Hypothese des Forschungsteams war, dass das Achtsamkeitstraining diese negativen Effekte durch eine Stärkung der Arbeitsgedächtniskapazität mindern kann, was schließlich auch den Resultaten entsprach.
  • Eine Studie von Mrazek et al. (2013) untersuchte, ob ein zweiwöchiger Mindfulness-Kurs das Abschweifen der Gedanken und die kognitive Leistung bei Personen im Bachelorstudium verbessern kann. Das Achtsamkeitstraining führte tatsächlich zu einer verbesserten Arbeitsgedächtniskapazität bei den Versuchspersonen sowie zu einem verbesserten Leseverständnis. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass das Auftreten ablenkender Gedanken während der Durchführung der Leseverständnisaufgabe reduziert war. Die Verbesserungen in der Leistung nach dem Achtsamkeitstraining wurden vor allem auf die Verringerung des Abschweifens der Gedanken bei denjenigen Versuchspersonen zurückgeführt, die dazu neigten, sich vom Training leicht ablenken zu lassen.
  • Eine randomisierte kontrollierte Studie von Jain et al. (2007) verglich die Auswirkung einer einmonatigen Achtsamkeitsintervention mit der eines somatischen Entspannungstrainings und einer Kontrollgruppe. Alle Versuchspersonen befanden sich im Hochschulstudium und gaben an, unter Stress zu leiden. Sowohl in der Meditations- als auch in der Entspannungsgruppe zeigten sich im Laufe der Zeit eine signifikante Abnahme der Belastung sowie eine Zunahme positiver Stimmungszustände im Vergleich zur Kontrollgruppe. Das Besondere: Ausschließlich in der Meditationsgruppe zeigte sich eine Abnahme von ablenkenden sowie Grübelgedanken, was dafürspricht, dass die Achtsamkeitsmeditation spezifisch auf dieses Verhalten wirkt.
  • In einer Meta-Analyse randomisierter kontrollierter Studien mit 1138 inkludierten depressiven Versuchspersonen zeigten Li et al. (2022), dass achtsamkeitsbasierte Interventionen zur Reduzierung von Grübeln (und anderen Symptomen) führen kann. Interessant: Das Forschungsteam empfahl auf Basis ihrer Befunde bei der Gestaltung von achtsamkeitsbasierten Interventionen regionale Unterschiede zu beachten.
  • Ein Review von Wolkin (2015) geht der Frage nach, wie Achtsamkeit durch ihren Einfluss auf den Grübelprozess zum Wohlbefinden beiträgt.
  • In einem Review (inkl. Meta-Analyse) untersuchten Wang et al. (2016), ob Körper-Geist-Therapien (Meditation, Tai Chi, Qi Gong, Yoga) die Schlafqualität verbessern. Ihre Resultate zeigten, dass Meditation zumindest nach subjektivem Ermessen die Schlafqualität im Vergleich zu inaktiven Kontrollpersonen deutlich verbessert.
  • Ein Review (inkl. Meta-Analyse) von Gu et al. (2015) untersuchte, welche psychologischen Prozesse MBSR und MBCT (Mindfulness-Based Cognitive Therapy) beeinflussen, um den therapeutischen Nutzen zu erzielen, der in verschiedenen Interventionsstudien gefunden wird. Das Forschungsteam fand starke Evidenz dafür, dass MBSR- und MBCT- Interventionen ihre Wirkung wahrscheinlich besonders durch ihren positiven Einfluss auf die emotionale Reaktivität der behandelten Personen entfalten.
  • Eine Meta-Analyse von Reilly und Stuyven (2022) zeigte, dass mitgefühlszentrierte Meditationen (loving-kindness meditations) mittlere Effekte auf die Fähigkeit zum Selbstmitgefühl bei Erwachsenen hat.

Die frühe Forschung zu Meditation / achtsamkeitsbasierten Interventionen in Verbindung mit chronischen Schmerzen hat den wissenschaftlichen „Stein ins Rollen gebracht“. Es ist gut belegt, dass Meditation das Schmerzempfinden reduzieren kann, was mit neuronalen Korrelaten einhergeht (d.h. Hirnregionen, die in Verbindung mit Schmerzen stehen, zeigen funktionelle und strukturelle Veränderungen durch Meditationstraining – manchmal jedoch widersprüchliche Veränderungen, siehe unten). Es gibt sogar eine exklusiv für Schmerzbetroffene angepasste achtsamkeitsbasierte Therapie (Mindfulness-Based Pain Management).

  • In einem Review gingen Nakata et al. (2016) auf Basis der bis dahin erschienenen neurowissenschaftlichen Studien u.a. der Frage nach, welche Hirnmechanismen für die Schmerzlinderung während der Meditation verantwortlich sind. Außerdem suchte das Team Gründe für widersprüchliche Studien in Bezug zu zwei Hirnregionen (anteriorer cingulärer cortex (ACC) und Insula). Es kam zu dem Schluss, dass Meditation die schmerzbezogene neuronale Aktivität im ACC, in der Insula, im sekundären somatosensorischen Cortex und im Thalamus reduziert, die Art der Modulation aber vermutlich von der Meditationspraxis und der zeitbezogenen Praxiserfahrung der Meditierenden abhängt.
  • Eine Studie von Grant et al. (2009) zeigte, dass erfahrene Zen-Meditierende in einem Schmerzenstest etwa 18% mehr Schmerzen ertragen können. Interessant: Es wird vermutet, dass die Atemfrequenz zur höheren Schmerzgrenze beitrug. Das Querschnittsdesign erlaubt kein kausales Schlussfolgern.
  • In einem Review von Olson und Emery (2015) wurde die Wirksamkeit von Achtsamkeitsinterventionen zur Gewichtsabnahme bewertet. In 13 von 19 analysierten Studien führten Achtsamkeitsinterventionen zu einer signifikanten Gewichtsreduktion, allerdings konnten keine eindeutigen Belege dafür gefunden werden, dass Veränderungen in der Achtsamkeit direkt für diesen Gewichtsverlust verantwortlich sind. Die Studien weisen methodologische Schwächen auf, und es ist weiterführende Forschung erforderlich, um die psychologischen, Verhaltens- und biologischen Mechanismen, die der Beziehung zwischen Achtsamkeit und Gewichtsverlust zugrunde liegen, zu dokumentieren und zu bewerten.
  • In einer randomisierten Studie (Carmody et al. 2011) mit 110 Frauen, die in der späten Perimenopause oder frühen Postmenopause fünf oder mehr heftige Hitzewallungen am Tag erfuhren, wurde der Einfluss einer MBSR-Teilnahme auf die Beeinträchtigung durch Hitzewallungen und nächtliches Schwitzen untersucht. Die Teilnahme an MBSR führte zu einer signifikanten Reduktion der Beeinträchtigung durch Hitzewallungen und nächtliches Schwitzen sowie zu verbesserter Lebensqualität und Schlafqualität.
  • Eine Gruppe von 31 schwangeren Frauen nahm im Rahmen einer Pilotstudie (Vieten & Astin, 2011) an einer MBSR-Intervention teil. Drei Monate nach der Geburt zeigten sie signifikant weniger Angst und weniger negative Stimmungen im Vergleich zu Frauen, die nicht an der Intervention teilnahmen.

Depression

  • Die achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie (MBCT) zeigte in Studien eine besondere Wirksamkeit bei der Rückfallprophylaxe von rezidivierenden (schweren) depressiven Episoden (Piet & Hougaard, 2011Kuyken et al., 2016).

Binge eating

  • Eine Meta-Analyse von Godfrey et al. (2014) zeigte, dass achtsamkeitsbasierte Interventionen große bis mittlere Wirksamkeitseffekte auf binge eating Symptome haben können. Das Forschungsteam merkt jedoch an, dass sich die gefundenen Effekte von Studie zu Studie erheblich unterscheiden, was an den unterschiedlichen Populationen, Messinstrumenten und Interventionen der inkludierten Studien gelegen haben könnte (in zwei inkludierten Studien wiesen Betroffene neben einer binge eating Diagnose Komorbiditäten auf. Des Weiteren enthält die Meta-Analyse ACT- und DBT-Studien, also Studien zu Psychotherapieverfahren, die weit über reine Achtsamkeitsverfahren hinausgehen).

Substanzmissbrauch

  • Ein Review (inkl. Meta-Analyse) von Li et al. (2017) untersuchte die Auswirkung achtsamkeitsbasierter Verfahren auf Substanzmissbrauch und fand kleine bis große Effekte hinsichtlich der Reduktion der Häufigkeit und Schwere des Substanzmissbrauchs, hinsichtlich der Verringerung des Verlangens nach psychoaktiven Substanzen und hinsichtlich der Reduktion der Schwere des Stresses. Achtsamkeitsbehandlungen führten auch zu einer Steigerung von Abstinenzraten bei Nikotinentwöhnten.

ADHS

  • Ein Review über 10 Studien von Cairncross und Miller (2016) zur Wirkung achtsamkeitsbasierter Verfahren bei ADHS berichtet über mittlere Effekte sowohl für die Aufmerksamkeitsleistung als auch für die Hyperaktivität/Impulsivität bei ADHS-Betroffenen.

Meditation / achtsamkeitsbasierte Interventionen in Zusammenhang mit somatischen Erkrankungen sind adjuvante Therapien und dienen allgemein dazu, die subjektive Lebensqualität zu erhöhen. Es gibt aber auch Studien, die nachweisen, dass Meditation konkrete somatische Kennwerte, wie Stresshormone, positiv beeinflussen kann. Die etwas blumige Aussage „Körper und Geist sind eins“ bekommt durch solche Befunde mehr Substanz.

Cortisolspiegel

Ein Review (inkl. Meta-Analyse) randomisierter, kontrollierter Studien (Studienanzahl: 58, Versuchspersonenanzahl (insgesamt): 3508) von Rogerson et al. (2024) untersuchte die Wirksamkeit von psychologischen Interventionen zur Stressbewältigung anhand des Cortisolspiegels in nicht-klinischen Populationen. Die Interventionen wurden in vier Kategorien unterteilt: Körper-Geist-Therapien, Achtsamkeit, Entspannung und Gesprächstherapien. Die Ergebnisse zeigten, dass Interventionen zur Stressbewältigung im Vergleich zu Kontrollgruppen einen mittelgroßen positiven Effekt* auf die Cortisolspiegel haben. Achtsamkeits- sowie Entspannungsverfahren zeigten sich am wirksamsten.

*Hinweis: Die gefundene Effektgröße (g = 0,282) wird üblicherweise als klein interpretiert. Möglicherweise gelten für bestimmte somatische Kennwerte, wie in diesem Fall Cortisol, jedoch andere Interpretationsstandards, weswegen das Forschungsteam hier von einem mittelgroßen Effekt spricht.

Immunsystem

Ein Review randomisierter, kontrollierter Studien von Black und Slavich (2016) untersucht die Auswirkungen von Achtsamkeitsmeditation auf biologische Mechanismen, die mit menschlichem Altern und Krankheiten in Verbindung stehen. Es wurden fünf Hauptergebnisse betrachtet, darunter entzündliche Proteine im Blut, genetische Ausdrucksprofile, Immunzellzahlen und Alterungsprozesse von Immunzellen. Die Ergebnisse zeigten eine substantielle Heterogenität (untersuchte Populationen, Studiendesign, Assay-Prozeduren) in den Studien, aber es deuteten sich mögliche positive Effekte von Achtsamkeitsmeditation auf Entzündungsreaktionen, zelluläre Immunität und biologisches Altern an. Diese Ergebnisse bedürfen jedoch weiterer Bestätigung und das Forschungsteam empfiehlt weitere Untersuchungen, um die genauen Auswirkungen von Achtsamkeitsmeditation auf das Immunsystem zu verstehen.

Koronare Herzkrankheiten

Ein Review von Ray et al. (2014) untersucht die Auswirkungen von Meditation auf verschiedene Aspekte der kardiovaskulären Gesundheit. Es werden Studien diskutiert, die gezeigt haben, dass Meditation positive Effekte auf kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Hypertonie, Typ-2-Diabetes, Dyslipidämie und hohe Cortisolspiegel haben kann. Es wird jedoch betont, dass weitere prospektive Studien notwendig sind, um die Auswirkungen von Meditation auf kardiovaskuläre Risikofaktoren besser zu verstehen.

Multiple Sklerose

In einer randomisierten kontrollierten Studie von Grossmann et al. (2010) wurde die Wirkung eines achtsamkeitsbasierten Trainings (MBI) im Vergleich zur üblichen Versorgung (UC) auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQOL), Depression und Fatigue bei Erwachsenen mit schubförmig-remittierender oder sekundär progressiver Multipler Sklerose (MS) untersucht. 150 Versuchspersonen wurden zufällig der Interventionsgruppe (n = 76) oder der UC-Gruppe (n = 74) zugeteilt. Das MBI bestand aus einem strukturierten 8-wöchigen Programm zur Achtsamkeitsschulung. Die Bewertungen wurden zu Beginn, unmittelbar nach dem Ende der Intervention und 6 Monate später durchgeführt. Die Hauptergebnisse umfassten krankheitsspezifische und krankheitsunspezifische Lebensqualität, Depression und Fatigue. Sekundäre Ergebnisse umfassten Angst, persönliche Zielrealisierung und die Einhaltung von Hausaufgaben. Die Ergebnisse zeigten, dass das MBI im Vergleich zur UC die nicht-physischen Dimensionen der Hauptergebnisse unmittelbar nach dem Ende der Intervention und bei der Nachuntersuchung verbesserte. Die Studie liefert somit Hinweise darauf, dass eine MBI die gesundheitsbezogene Lebensqualität, Fatigue und Depression bei MS-Patienten bis zu 6 Monate nach der Intervention verbessern kann.

Andere

Die Auswirkung von Meditation auf die Lebensqualität wurde in etlichen weiteren Studien bei etlichen weiteren somatischen Konditionen untersucht. Die obige Übersicht soll bei Gelegenheit ergänzt werden.

Früher waren Schlagzeilen wie „Meditation verändert das Gehirn!“ sensationell. Doch eigentlich sind sie das gar nicht. Jede Übung, jede Aktivität, die man mit einer gewissen Regelmäßigkeit vollzieht, hat das Potential, funktionelle und strukturelle Veränderungen im Gehirn zu produzieren – das gilt für das Spielen eines Instruments, das Erlernen einer neuen Sprache, Sport, usw.

  • Es ist allerdings besonders, dass wir heutzutage recht gut abbilden können, welche Meditationspraxis in welchem Hirnareal zu veränderter Aktivität führt – mit anderen Worten, wir können sagen, dass Veränderungen in der Hirnfunktion in Zusammenhang mit Meditation abhängig von der konkreten Meditationspraxis sind. Eine Meta-Analyse von Fox et al. (2016) hat dies eindrucksvoll gezeigt. Die Meditationsformen (Fokussierte Aufmerksamkeit, Offenes Gewahrsein, Mantra-Rezitation, Mitgefühlsmeditation) zeigen differenzierte Aktivitäten, die kongruent mit den Zielen der jeweiligen Meditationspraxis sind.
  • Auch die sich aus Meditation ergebenen Hirnstrukturveränderungen zeichnen ein stimmiges Bild. Ein Review von Gotink et al. (2016) zeigte, dass die Hirnstrukturveränderungen durch MBSR-Kurse konsistent mit den gefundenen Verhaltensänderungen (inkl. emotionale Veränderungen) sind. Konkret zeigten der präfrontale Kortex (u.a. Verhaltenskontrolle), der anteriore cinguläre Cortex (ACC; u.a. Störungen ausblenden), der Inselkortex (u.a. Bauchgefühle wahrnehmen) und der Hippocampus (v.a. Gedächtniskonsolidierung) eine erhöhte Aktivität, Konnektivität und Volumen in gesunden, gestressten und ängstlichen Versuchspersonen. Zusätzlich zeigte die Amygdala (u.a. Angstreaktion) eine verringerte funktionelle Aktivität, eine verbesserte Konnektivität mit dem präfrontalen Kortex und eine frühere Deaktivierung nach der Exposition gegenüber emotionalen Reizen.

Man kann sich fragen, warum diese Forschung überhaupt relevant ist. Dazu eine Antwort: Man weiß, dass sich Gehirne bei Menschen mit bestimmten psychischen Abweichungen (Depression, ADHS, etc.) vom „Durchschnittsgehirn“ je nach Abweichung in bestimmten Arealen funktionell und strukturell unterscheiden. Man vermutet, dass das zum Leid beiträgt. Man weiß auch, dass sich Hirnfunktion und -struktur durch Psychotherapie und bestimmte Medikamente auch wieder ändern können. Ein Argument für obige Forschung ist also, dass es besonders in klinischen Settings lohnenswert sein könnte, eine auf das Individuum angepasste Meditationsform zu finden, um an diejenigen funktionellen und strukturellen Abweichungen im Gehirn anzudocken, die verändert werden „müssen“. Individuelle Intervention statt Breitbandmeditationskurs also. Solch individualisierte Ansätze sind noch Zukunftsmusik, aber zumindest theoretisch plausibel.

Keine Wirkung ohne potentielle Nebenwirkung. Die Forschung nach den potentiellen Risiken und Nebenwirkungen („adverse effects“) der Meditation ist taufrisch und bekommt immer mehr Beachtung. Um ein Gefühl für das Thema zu bekommen, empfehle ich zum Einstieg einen Artikel von Ruth Baer und Willem Kuyken mit dem Titel Is Mindfulness safe? sowie das Buch Traumasensitive Achtsamkeit von David Treleaven (erhältlich im Arbor Verlag).

Im Artikel Is Mindfulness safe? werden drei Schlüsselkriterien unterschieden, die zur Sicherheit in der Achtsamkeitspraxis beitragen können. Diese gelten sowohl für Fachkräfte als auch für Neulinge:

  1. Die Intensität der Praxis: Von niedriger Frequenz (z.B. kurze Übungen mit Apps oder Selbsthilfebüchern) bis mittlere Frequenz (z.B. 40 Minuten täglich im Rahmen von MBSR-Kursen) bis hohe Frequenz (mehrstündige tägliche Meditation über mehrere Tage auf Retreats).
  2. Die Anfälligkeit der praktizierenden Person (z.B. psychiatrische (Vor-)Erkrankungen wie posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), Psychosen oder Substanzmissbrauch).
  3. Die Qualität der Anleitung (Ausbildung der instruierenden Fachkraft).

Der Artikel schließt mit drei Kernaspekten:

  • Der Hauptzweck von Achtsamkeit besteht nicht darin, Zustände der Glückseligkeit zu erzeugen. Vielmehr geht es darum, sich allen Erfahrungen zu öffnen, seien sie angenehm, neutral oder unangenehm.
  • Achtsamkeit ist kein Allheilmittel. Sie ist weder der einzige Weg, um Stress zu reduzieren oder das Wohlbefinden zu erhöhen noch für jeden Menschen geeignet. Man sollte die Methode wählen, die zu einem passt, sei es Achtsamkeit, Sport, Psychotherapie oder ein anderer Ansatz.
  • Achtsamkeit ist ein Weg des Erfahrungswissens. Praktizierende sind eingeladen, mit einer offenen und neugierigen Haltung zu experimentieren und werden dabei von der Evidenz begleitet, die sich aus eben diesem Experimentieren ergibt.

Zur Wissenschaft:

  • Die US-amerikanische Forschungsgruppe um Jared R. Lindahl und Willoughby Britton gilt als wegbereitend für die empirische Beforschung der potentiellen Risiken und Nebenwirkungen der Meditation. In ihrer Studie The varieties of contemplative experience: A mixed-methods study of meditation-related challenges in Western Buddhists (Lindahl et al., 2017) befragten sie Praktizierende buddhistischer Meditationsformen (Theravada, Zen, tibetische Traditionen) sowie Buddhismus-Fachkundige nach Erfahrungen in Zusammenhang mit Meditation, die als herausfordernd, schwierig, belastend, funktional beeinträchtigend und/oder zusätzliche Unterstützung erfordernd beschrieben werden. Heraus kam eine Taxonomie von 59 meditationsbezogenen Erfahrungen aus 7 Bereichen: kognitiv, perzeptiv, affektiv, somatisch, konativ, Selbstwahrnehmung und sozial. Um zu bestimmen, welche Faktoren die Wertigkeit, Auswirkungen und Reaktion auf eine bestimmte Erfahrung beeinflussen können, identifizierte die Studie außerdem 26 Kategorien von Einflussfaktoren in 4 Bereichen: Praktizierende, Praktiken, Beziehungen und Gesundheitsverhalten.
  • In den letzten Jahren erschienen daraufhin weitere Studien zum Themenkomplex der unerwünschten Nebenwirkungen, die sich u.a. auf der Website von Willoughby Britton nachverfolgen lassen.
  • Meine persönliche Meinung: Dieser Forschungskomplex regt uns zur kritischen Reflexion an. Auf der einen Seite gibt es in Interventionsstudien mit klar definierten Populationen und gut ausgebildeten Fachkräften meines Wissens bis jetzt keine Hinweise auf schädliche Wirkungen der Achtsamkeitspraxis. Auf der anderen Seite gibt es aber entsprechende Einzelfallberichte aus anderen Kontexten: So erzählt David Treleaven im Buch Traumasensitive Achtsamkeit von posttraumatisch belasteten Menschen, deren Intrusionen von einem Bodyscan getriggert wurden. In Kürze also: Auch wenn die Datenlage dünn ist, gilt es, (w)ach(t)sam zu bleiben.